Antje Neuborn, lebt mit einer zerebralen Bewegungsstörung

Mit Rolli auf Erfahrungsreise in Amerika: Die vierzigjährige PR-Frau pausiert derzeit in ihrem Job als Journalistin und Lektorin und besucht bereits im zweiten Jahr eine Bibelschule in den USA. „Hier wird eine Kultur der Ehre und Wertschätzung gelebt, die mich besonders begeistert“, berichtet Antje von ihren Erfahrungen. „Gegenseitige Wertschätzung und Ehre verändern von innen nach außen und kann ganze Gesellschaften positiv beeinflussen.“ Was sie sonst mit ihrem Handicap erlebt, erzählt sie hier:

Über mein Handicap:

Durch einen Sauerstoffmangel bei meiner Geburt habe ich eine zerebrale Bewegungsstörung. Zerebral bedeutet „das Gehirn betreffend“. Wird der Körper mit zu wenig Sauerstoff versorgt, können Gehirnzellen (in Fachkreisen „Neuronen“ genannt) absterben.
Da alles, was wir tun, vom Gehirn gesteuert wird, kommt es zu Beeinträchtigungen, wenn Gehirnzellen fehlen. In meinem Fall ist dadurch die Koordination von Bewegungsabläufen meines Körper eingeschränkt. Durch sehr viele krankengymnastische Übungen kann der Teil, der verloren gegangen ist, von anderen Gehirnzellen übernommen werden. Trotzdem werden die Bewegungsabläufe nie so normal aussehen wie bei Menschen ohne Behinderung.
Bei mir sind vorwiegend die Bewegungsabläufe der Beine beeinträchtigt. Die Beinmuskeln sind permanent überspannt, wie bei einem überdehnten Gummiband. Ärzte nennen das Spasmus. Man sieht es mir nicht unbedingt an, aber mein Körper steht durch falsche Signale des Kleinhirns unter dauerhafter Anspannung.


Mit welchen Barrieren ich zu tun habe:

Da ich teilweise zu Fuß und teilweise im Rollstuhl unterwegs bin, sind die Barrieren des Alltags unterschiedlich. Wenn ich zu Fuß unterwegs bin, sind Treppen ohne Geländer für mich ein Problem, weil ich dann Probleme habe, mein Gleichgewicht zu halten. Bin ich im Rollstuhl unterwegs, sind Stufen und Treppen, hohe Bürgersteige und schwer zu öffnende Türen ein generelles Problem.

Im Umgang mit Menschen bin ich meistens damit beschäftigt, ihnen ihre anfängliche Unsicherheit gegenüber der Gehbehinderung zu nehmen. Meine Erfahrung ist: Je unkomplizierter ich selbst mit dem Thema Behinderung umgehe, desto einfacher ist es für meine Mitmenschen.

In Kirchengemeinden gibt es auf dem Weg zur Bühne, Rednerpult oder Altar unüberwindbare Stufen für Rollstuhlfahrer. Keine Rampe oder kein Geländer. Gerade, wenn eine Gemeinde ein neues Haus baut, habe ich schon des Öfteren auf dieses Problem hingewiesen. Ich finde zwar Gehör, doch meistens sind die Lösungen nicht ganzheitlich. Es ist schön, eine Behindertentoilette im Erdgeschoss zu haben. Aber wenn das Gebäude zwei Stockwerke hat, gibt es meistens nur Treppen und keinen Fahrstuhl, weil der eben angeblich zu teuer ist. Ich finde solche Lösungen halbherzig. Oftmals sind Zugänge zu Gemeindehäusern auch nicht barrierefrei, wodurch Menschen im Rollstuhl vom Gottesdienst ausgegrenzt werden.

In charismatischen Kreisen ist das Thema der körperlichen Heilung häufig im Vordergrund. Viele Betroffene berichten mir, dass sie sich dann vorkommen wie ein Projekt. Sie möchten aber als Menschen wahrgenommen werden. Deshalb ist es wichtig, sie zu fragen, wofür sie gerne Gebet haben möchten, und nicht von vornherein davon auszugehen, dass sie körperliche Heilung möchten, auch wenn das für Menschen ohne Behinderung ersichtlich scheint.

Was ich mir wünsche:

Ich wünsche mir mehr Feingefühl und mehr Kommunikation, so wie es in jeder Art von Beziehung notwenig ist, um einen wertschätzenden Umgang miteinander leben zu können. Wertschätzung bedeutet für mich, den anderen so anzunehmen, wie er ist, und ihm zu helfen, Schwierigkeiten des Lebens besser bewältigen zu können. Dazu sollte ich den anderen fragen: „Was brauchst du?“ „Wie kann ich dir am besten helfen?“ Für Rollstuhlfahrer kann Wertschätzung zum Beispiel bedeuten, ihnen die besten Plätze vorne zu reservieren, um ihnen eine freie Sicht zu ermöglichen.

Antje Neuborn, Kulturwissenschaftlerin, kommt aus Hannover.


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